Früher waren Farben und Lacke sein Metier, heute steuert Marco Kardel Züge der nordbahn (NBE). Wie es dazu kam und was er daran schätzt, erzählt er uns im Gespräch.

In der Meldestelle am Altonaer Bahnhof in Hamburg herrscht wie üblich rege Betriebsamkeit. „In diesen Büros werden sämtliche Informationen gebündelt, über die wir Triebfahrzeugführer Bescheid wissen müssen“, erklärt Marco Kardel, während er sich einen Überblick über die aktuellen Baustellen und Langsamfahrstellen verschafft. „Einfach nur beschleunigen und bremsen – damit ist es nicht getan.“ Doch selbst das ist Herausforderung genug: Der Bremsweg eines Zuges beträgt bei 160 km/h ungefähr 700 Meter. Bei nassem Laub oder Schnee auf den Gleisen wird er sogar noch länger. „Da muss man aufpassen, dass man nicht an der Haltestelle vorbeirauscht und den Wartenden nur noch zuwinken kann“, sagt Kardel lachend.

Seit eineinhalb Jahren bringt er Fahrgäste für die nordbahn von A nach B. „Um ehrlich zu sein, war das gar nicht mein Plan. Nur durch eine gesundheitsbedingte Umschulung bin ich heute nicht mehr Fahrzeuglackierer, sondern Triebfahrzeugführer“, erzählter. Das Wörtchen ‚Fahrzeug‘ in der Berufsbezeichnung ist offenkundig geblieben. „Ich habe mich quasi erst auf den zweiten Blick in diesen Beruf verliebt. Allerdings wurde ich heftig angeflirtet “, sagt er und löst die fragenden Blicke auch gleich augenzwinkernd auf: „Einer der beiden Züge, auf die ich spezialisiert bin, heißt FLIRT! Kurz für: Flinker Leichter Innovativer Regional-Triebzug.“ Mit 2.000 kW flitzt der FLIRT über die Strecke, das entspricht gut 2.719 PS.
„Das ist ein Porsche auf Gleisen“, schwärmt Kardel, „der macht schon richtig Spaß!“

Einer der beiden Züge, auf die ich
spezialisiert bin, heißt FLIRT!

Doch ausfahren will er seinen ‚Sportwagenʻ nicht. „Zum einen würde es die Fahrgäste in die Sitze drücken, zum anderen muss ich mich natürlich an die Geschwindigkeitsbegrenzungen halten.“ Neben dem Tempolimit muss er zahlreiche Signale entlang der Bahnstrecke und die Informationen, die das Fahrzeug anzeigt, beachten. „Als Triebfahrzeugführer trage ich die Verantwortung für meine Fahrgäste und muss mich daran orientieren, was vor und hinter mir geschieht. Auch wenn ich etwaige Verspätungen gerne sofort wettmachen möchte: Die Sicherheit geht immer vor!“, betont er und schaut ausnahmsweise einmal ernst. Bei einem Blick in den Schichtplan kehrt sein Lächeln zurück. „Morgen steuere ich den LINT (Leichter Innovativer Nahverkehrs-Triebwagen) von Bad Oldesloe nach Büsum. Auf dieser Strecke fahre ich teilweise nur 80 km/h.“ Doch auch diese langsame Route hat einen besonderen Reiz für Marco Kardel: „Manchmal ist es, als dürfe man mit dem Zug mitten durch einen Wildpark fahren. Mal grüßen mich die Rehe von den Feldern, mal zieht ein Greifvogel seine Kreise über meinem Zug.“

Ein Erlebnis ist ihm auf dieser Strecke besonders eindringlich in Erinnerung geblieben. „Am 31.12.2016 war ich pünktlich zum Jahreswechsel auf den Gleisen unterwegs. Das war schon ein besonderer Moment – zu sehen, wie der Himmel von Stadt zu Stadt immer wieder aufs Neue durch die Feuerwerke erhellt wurde.“ Kaum hat er den Satz beendet, rüttelt Sturm Xavier vehement an den Fenstern der Meldestelle. „Jeder Tag ist anders. Dieser hier scheint ein wenig auf Krawall gebürstet zu sein“, sagt Kardel grinsend und verabschiedet sich in Richtung Gleis 8. Der FLIRT wartet schon auf eine letzte Inspektion vor der Fahrt nach Itzehoe.