Das Geheimnis der Zahlen und Buchstaben am Zug

Gängige Körperhaltung wartender Menschen auf dem Bahnsteig: Schultern leicht nach oben gezogen, Kinn Richtung Brustbein, Daumen gekrümmt. So wird auf dem Smartphone gescrolled, bis der Arzt – pardon – der Zug kommt. Doch lassen Sie einmal Ihren Blick in die Umgebung schweifen! Zum Beispiel über die modernen graugrünen Waggons der Regionalexpress-Linien 7 und 70, die seit Anfang des Jahres mit vier- bis achtteiligen Doppelstock-
triebwagen und verkürzter Fahrtzeit zwischen Flensburg und Hamburg sowie Kiel und Hamburg unterwegs sind. Was sind das eigentlich für geheimnisvolle Zahlenreihungen am unteren Wagenrand? „DABpzf“? Das klingt, als wäre eine Katze über die Computertastatur gelaufen, hat aber System. Wer all diese Zahlen, Buchstaben und Zeichen auf dem Wagen deuten kann, erfährt eine Menge über den Zug: Alter, Bauart, Herkunft, Halter, Netz, Gattung, Steuerungssystem und vieles mehr. Die zwölfziffrige UIC-Wagennummer des Internationalen Eisenbahnverbands ist so etwas wie die Personalausweisnummer von Reise- und Güterzügen. Sie dient der eindeutigen Identifizierung des Zugs und wird von Bahnunternehmen, Infrastrukturbetreibern und Behörden genutzt. Aber auch mit der Übersetzung der anderen Angaben am Zug würden Sie spielend jedes Bahnquartett gewinnen: Sie kennen die Höchstgeschwindigkeit, wissen, wie viele Tonnen Bremsgewicht der Zug bei aktivierter Magnetschienenbremsung hat und wann er das letzte Mal in welchem Werk untersucht wurde. Mit unserer Grafik entschlüsseln Sie den Code spielend! Wer will da auf dem Bahnsteig schon noch auf das Smartphone schauen …

VERWECHSLUNG AUSGESCHLOSSEN: Der „Fingerabdruck“ für Züge: In der UIC-Wagennummer sind Bauart der Lok, Ländercode, Baureihe sowie Prüfziffern zur Identifizierung des Zuges hinterlegt.
MULTITALENT: D steht für Deutschland, DB für die Deutsche Bahn als Fahrzeughalter. DAB bezeichnet einen Doppelstockwagen (D) mit 1. Klasse (A) und 2. Klasse (B). Die Buchstaben pzfa beschreiben die Fähigkeiten der Wagen, vergleichbar mit den Ausstattungsdetails eines Autos: „p“ markiert klimatisierte Großraumwagen mit Mittelgang, „z“ gibt die Art der Energieversorgung an und „f“ die Steuerungstechnik – bei diesem Zug kann die Lok über den Steuerwagen „ferngesteuert“ werden. Das „a“ steht für automatische Türabfertigung.
TEMPO, TEMPO! 160 km/h ist die Höchstgeschwindigkeit.
IM EINSATZ: Der Zug fährt nur im Netz der Deutschen Bahn.
UNTER STROM: Ob Heizung, Klimaanlage oder Innenbeleuchtung: Alle Wagen sowie die Lok sind mit einem Kabel verbunden, der Zugsammelschiene (ZS). Sie versorgt alle Zugteile mit Strom. Neben dem Kürzel „ee“ („elektrische Energieversorgung“) sind die Volt- und Amperezahlen abzulesen – eine wichtige Info für Rangierer, die beim An- und Abkuppeln der Wagen die Stromverbindungen umstecken.
ACHTUNG PHYSIK! Bei der „Bremsanschrift“ wird es richtig technisch – und lebenswichtig: Sie bezieht sich auf Bremsbauart, Bremsgewicht und Fahrzeugmasse. Moderne Schnellzüge (R = Rapid) haben eine elektropneumatische Bremse (ep). NBÜ steht für Notbremsüberbrückung. Das heißt: Auch bei einer Notbremsung kann der Zug bis zu einem geeigneten Haltepunkt weiterfahren – zum Beispiel damit er nicht in einem Tunnel stehenbleiben muss. R+MG bedeutet Schnellzug mit einer Magnetschienenbremse (MG). Alle Reisezüge mit einer Geschwindigkeit von mehr als 140 km/h sind zusätzlich mit einer bremskraftverstärkenden Magnetschienenbremse ausgestattet, die bei Notbremsungen unverzichtbar ist. Bremsgewicht dieses Zuges mit Bremsbeschleuniger und Magnetschienenbremse: 132 t. Die Gewichtsangaben in Tonnen beschreiben dazu das Bremsgewicht in der jeweiligen Bremsstellung (R) mit (109 t) und ohne Bremsbeschleunigung (102 t).
VON PUFFER ZU PUFFER: Die Meterangaben geben Auskunft über die Wagenlänge inklusive Puffer (hier: 25,98 Meter). 18,4 Meter sind die Drehzapfen voneinander entfernt. Drehzapfen verbinden Drehgestell und Wagenkasten.
AB ZUM TÜV: Das sogenannte Revisionsraster zeigt an, wann und wo der Zug abgenommen wurde. Dieser Zug stand am 19.12.2017 im Bombardier-Werk Görlitz – gekennzeichnet durch die Standortnummer 0106 – auf dem Prüfstand.