Hartmut Wieck-Simon, 7 1 Jahre, aus Nortorf

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Hartmut Wieck-Simon pflegt ein altes Kulturgut: die Drehorgel. Den Erlös seiner Auftritte spendet er an die Stiftung Bethel.

Der Stolz klingt deutlich in seiner Stimme mit, wenn Hartmut Wieck-Simon über sein Instrument spricht: „Diese Drehorgel, ein über 100 Jahre altes Harmonipan, hat 46 Pfeifen. In Lübeck gibt es noch eine mit 48 und in Medelby eine Kirmesorgel, die so groß ist, dass sie nur in der Garage Platz findet. Das sind die drei größten Drehorgeln, die in Schleswig-Holstein noch im Einsatz sind.“ Einsatz, das ist das Stichwort, denn den Drehorgelspieler Wieck-Simon kann man buchen. Er fährt kreuz und quer durch Schleswig-Holstein und schwingt auf Familienfeiern, Hochzeiten oder in Altenheimen die Kurbel. Zum Vortrag kommt, was gewünscht wird, vor allem Schlager, aber auch mal Märsche oder klassische Stücke. Bemerkenswert ist aber vor allem: Den Reinerlös spendet Hartmut Wieck-Simon an die „von Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel“. Das Sozialunternehmen unterstützt seit 1867 Bedürftige, zum Beispiel Menschen mit Behinderungen.

Die Leidenschaft für den klingenden Kasten mit der Kurbel entwickelte der gebürtige Meldorfer bereits sehr früh. „Immer wenn Jahrmarkt war, umlagerten wir Kinder zwei Männer, die vor einem alten Auto standen und neben dem Leierkasten auch Pauke und Trompete spielten.“ Dass bereits zu dieser Zeit seine heutige Drehorgel ganz in der Nähe auf ihre Entdeckung wartete, wusste der kleine Hartmut damals noch nicht: Seine Familie hatte sie 1945 auf der Flucht aus Hinterpommern unter Stroh und Decken auf einem Karren nach Meldorf gebracht. „Dort wurde sie dann beim Bäcker auf dem Mehlboden versteckt, damit die britischen Soldaten sie nicht finden. Aber die hätten sie wahrscheinlich nicht mitgenommen, sondern höchstens in den Hof getragen und dazu getanzt.“

Vom „Taschenonkel“ zum Leierkastenmann

Vor seinem Leben als Leierkastenmann arbeitete Hartmut Wieck-Simon für verschiedene Handelsunternehmen in Schleswig-Holstein, ehe er vor 30 Jahren noch einmal einen anderen Weg einschlug. „Ich habe mit meiner Frau einen kleinen Lederwarenimport gegründet. Wir haben unter dem Namen ‚Taschenonkel‘ Geschäfte in Norddeutschland mit Taschen, Gürteln und Geldbörsen beliefert.“ Mit der Rente kam vor acht Jahren dann noch eine große Veränderung. „Meine jüngste Tochter lebt mit ihren Kindern hier in Nortorf, übrigens am geografischen Mittelpunkt von Schleswig-Holstein. Und weil unsere Enkel der Mittelpunkt unseres Lebens sind, haben wir Meldorf verlassen und uns hier niedergelassen.“ Seitdem ist auch endlich Zeit für die Drehorgel: Anfangs buchten ihn vor allem Einrichtungen wie Altersheime für Sommerfeste oder Weihnachtsfeiern. Aber mittlerweile häufen sich die privaten Anfragen: Goldene Hochzeiten sind dabei, „aber ich bin auch schon gefragt worden, ob ich mal bei einer Hochzeit vor dem Standesamt spielen kann, auch wenn die Musik vielleicht eher nichts für junge Leute ist“. Die kurioseste Buchung? „Ich sollte in einer Klinik für einen bettlägerigen 70-jährigen Patienten spielen. Da habe ich natürlich gezögert. Ob die Lautstärke dort geduldet wird? Aber dann kam grünes Licht, und als ich vor dem Bett stand und erstmal zaghaft gekurbelt habe, rief der Mann immer wieder ‚lauter, lauter‘ und warf vor Freude die Arme in die Luft.“

Hartmut Wieck-Simons Repertoire umfasst 700 Musikstücke, die er auf seiner Drehorgel elektronisch gespeichert hat. „Früher kamen sie von einem Lochband, das nach sieben Stücken immer gewechselt werden musste. Es ist aber nach wie vor ein pneumatisches Instrument, das heißt, alle Pfeifen, Becken, Trommeln und das Xylophon werden durch Luft zum Klingen gebracht.“ So bleibt er der Tradition treu. Dazu passt auch, dass sich der Nortorfer für jeden Auftritt in seine Kluft wirft, den Stoffaffen und eine Spendendose auf die Drehorgel stellt – und mit jeder Umdrehung ein wenig Gutes tut.