Zu Besuch in der Kieler Kleingartenkolonie Dubenhorst

Kleingarten, Schrebergarten, Datsche, Parzelle, Laube – je nach Region sind unterschiedliche Begriffe geläufig, die aber stets das Gleiche meinen: ein Stück gepachtetes Land in einer Gartenkolonie, zumeist in urbanem Umfeld. Wo auch immer sich dieses Stückchen privates Grün befindet und wie auch immer es genannt wird, eines haben alle Kleingärten gemeinsam: Sie sind ein Ort der Erholung und Entfaltung für ihre Pächter. Dennoch erzählt jeder Garten seine ganz eigene Geschichte. Mit offenem Ohr besuchen wir die Kieler Kolonie Dubenhorst, treffen Brigitte und Klaus, die ihren Garten schon seit 45 Jahren hingebungsvoll pflegen, und sprechen mit Verena und Jann, die ihr Stück Land drei Tage vor Beginn der Corona-Beschränkungen zugesprochen bekamen. Und wir erfahren mehr über den Kleingartenboom von Thomas Kleinworth, dem Experten vom Landesverband der Gartenfreunde.

Auf gehtʼs zur Kieler Kleingartenanlage Dubenhorst! Unser erstes Ziel lautet Parzelle 885. Auf dem Weg dorthin begleitet uns eine Symphonie der Betriebsamkeit aus Richtung der umliegenden Gärten – akkubetriebene Heckenscheren rattern, Hämmer klopfen eifrig. Auch in der angesteuerten Parzelle wird gearbeitet. „Gute Zeit, um zu mähen, nicht mehr ganz so warm“, begrüßt uns Klaus Urban freundlich, aber beiläufig, als wir um kurz nach 15 Uhr eintreten. Gekonnt manövriert er seinen benzinbetriebenen Rasenmäher die Kanten des Grüns entlang. Strom aus der Steckdose gibt es hier nicht.

 

„Der Rasen ist sein ein und alles.“

 

Seine Frau Brigitte gesellt sich zu uns: „Der Rasen ist sein Ein und Alles“, sagt sie augenzwinkernd. Nach seiner aktiven Zeit als Fußballer wurde Klaus Urban Platzwart. Sein Spitzname unter den Spielern: „Rasengott“. Geboren ist er in Gelsenkirchen, die wehende Flagge von Schalke 04 bezeugt seine Verbundenheit zur Heimat. Klaus stellt den Rasenmäher ab und kommentiert unseren Blick Richtung Flagge: „Die Liebe zum Schrebergarten ist im Ruhrgebiet legendär!“ Diese Leidenschaft hat er fraglos in den Norden mitgenommen. Seit 45 Jahren pflegen er und seine Frau ihre 400 Quadratmeter große Grünfläche. Mit ausgeprägter Liebe zum Detail sind ihre Pflanzen in Reih und Glied gebracht. Während sich die Blüten der Pfingstrosen Anfang Juni noch zieren, reckt sich uns die übrige Blütenpracht in den schillerndsten Farben aus den Beeten entgegen. „Früher haben wir neben den Blumen viel Gemüse angepflanzt“, erinnert sich Brigitte Urban, „da war die Familie vor Ort größer und wir hatten genügend Abnehmer. Aber auch ohne die Erntearbeit haben wir genug zu tun.“ Ihr Mann nickt: „So sparen wir uns das Fitnessstudio und sind auch mit Mitte 70 noch gut in Schuss – obwohl ich mich beim Bücken schon wundere, warum die Füße plötzlich so weit weg sind.“

Das Konzert der Gartengeräte ist seit geraumer Zeit vorbei, stattdessen schlängeln sich nun Gartenschläuche durch die Nachbargärten. Auch bei den Urbans wird der Wasserhahn aufgedreht. „Wir stellen schon fest, dass sich das Klima ändert. Wir müssen deutlich mehr wässern als früher“, meint Frau Urban nachdenklich. „Vieles ändert sich“, stimmt Klaus Urban ein, „der Garten aber ist eine Konstante. In der Corona-Zeit hat sich unser Alltag kaum geändert, wir sind ohnehin jeden Tag hier.“ Nach getaner Arbeit ist für die beiden nun Zeit, die Beine hochzulegen. Wir verabschieden uns und ziehen weiter zu Verena und Jann. Sie sind erst seit wenigen Wochen im Besitz ihres Kleingartens, nachdem sie schon längere Zeit in den Gängen der Kolonie nach verlassenen Parzellen Ausschau gehalten haben.

„In der Corona-Zeit hat sich unser Alltag kaum geändert.“

„Wir hatten echt Glück. Drei Tage bevor es die ersten coronabedingten Einschränkungen gab, konnten wir den Garten beziehen“, erzählen sie. Der 81-jährige Vorbesitzer, früher 2. Vorsitzender des Kleingartenvereins, hatte einen Aushang an die Parzellentür geheftet, eine Freundinentdeckte den Zettel und gab gleich Bescheid.

Der Garten war bei der Übernahme gegen eine Abschlagszahlung in gutem Zustand. „Man übernimmt natürlich so einiges“, berichten die beiden, „vermutlich auch von mehr als nur einem Vorbesitzer.“ Dennoch wird mit den neuen Pächtern vieles anders: „Nachdem wir die Hütte entrümpelt haben, streichen wir nun. Die Paneele innen werden mintgrün. Den Boden haben wir bereits erneuert.“ In kurzer Zeit ist bereits viel geschafft. „Durch Corona waren wir viel häufiger hier als geplant“, meint Verena und bittet uns, ihr in Richtung Gewächshaus zu folgen. „Hier drin geht die Luzie ab, aber dafür musst du sorgen.

„Im Gewächshaus geht die Luzie ab.“

 

Das Gewächshaus ist wie ein Haustier. Die Aubergine ist uns gleich eingegangen, nachdem wir mal drei Tage lang nicht auf sie Acht gegeben haben.“ Die übrige Vielfalt kann man nur bestaunen – Paprika, Salat, Gurken und Tomaten entwickeln sich prächtig. „Angeblich steht das Gewächshaus schon seit 30 Jahren. Diese Zeitangabe variiert allerdings von Nachbar zu Nachbar“, grinst Jann.

Die Stimmung unter den Pächtern der Kleingartenanlage Dubenhorst ist familiär, Karl-Heinz von nebenan gibt gerne Tipps und hat auch einen Ersatzschlüssel für die Gartentür der neuen Gartennachbarn. Einiges aber ist auch für Karl-Heinz neu, so wie Janns und Verenas Wurmfarm, über die sie Wurmurin als Dünger gewinnen. Auf eine besondere Neuerung freut sich schon die ganze Nachbarschaft. „Bald bekommen wir Bienen, dann ist hier richtig Alarm vor unserer Hütte“, erzählt Jann erwartungsvoll, seine Partnerin fügt hinzu: „Wir bereiten uns schon seit einiger Zeit darauf vor.“

„Auf die Bienen freut sich die ganze Nachbarschaft.“

Sich im Vorfeld über Flora und Fauna zu informieren, ist für die beiden aber nur ein Weg, den Garten kennenzulernen. „Versuch macht kluch!“, lacht Verena und Jann fährt fort: „Anfangs, wenn das Grün gerade erst aus der Erde gekrochen kommt, ist es für uns schwer, die jeweilige Pflanze zu bestimmen. Wir lassen sie dann erstmal wachsen – und schauen später, was es für eine ist und ob wir sie behalten wollen.“ In einem Punkt können die beiden sich aber sicher sein: „Wir haben die Beete nun schon so oft umgepflügt, aber eines hört einfach nicht auf: Von überall kommen Kartoffeln!“

Grüne Lunge im Stadtgebiet

Interview mit Thomas Kleinworth, Landesverband der Gartenfreunde e.V.

Herr Kleinworth, was sind Ihre Aufgaben im Landesverband der Gartenfreunde?

Thomas Kleinworth: Als Geschäftsführer bin ich häufig in Kontakt mit Verwaltungen. Meist geht es darum, Lösungen in Form von Entschädigungen oder Ersatzland zu finden, falls Kleingartenbestände wegen Bauvorhaben aufgelöst werden müssen. Als Gärtnermeister biete ich unseren Mitgliedern zudem Fachberatungen an. Zumeist geht es dabei um Schadbilder an Pflanzen und um die Frage: Was kann ich dagegen tun? Das schaue ich mir gerne vor Ort an, bin aber froh, dass wir heutzutage auch per Smartphone Fotos austauschen können und ich nicht mehr für jede Blattlaus rausfahren muss.

Wie ist das Interesse an Kleingärten?

Thomas Kleinworth: Groß! Während der Corona-Beschränkungen und durch die ausgefallenen Urlaubsreisen ist es noch gestiegen. Davor konnte man kurzfristig einen Garten bekommen, aktuell sind die Wartezeiten etwas länger. Berliner oder Hamburger Verhältnisse kennen wir jedoch nicht, dort braucht man in der Regel jahrelang Geduld. Hier in Schleswig-Holstein gibt es 195 Kleingartenvereine. Schätzungsweise 40.000 Kleingärtnerinnen und Kleingärtner verteilen sich bei uns im Norden auf insgesamt etwa 2.000 Hektar Gartenfläche.

Hat sich die Klientel in den letzten Jahren verändert?

Thomas Kleinworth: Wir werden jünger! Viele Ältere geben ihre Gärten in die Hände von Familien mit Kindern. Das ist schön, so kommen die Kinder aktiv in Berührung mit der Natur. Für die Erwachsenen ist der Garten ein Ort der Erholung vom Alltagsstress. Fraglos bringt das gepachtete Stück Land auch Arbeit mit sich. Wenn es offenkundig über das übliche Maß hinaus verwildert, weisen wir darauf hin, mit der Bitte, dies zu ändern. Generell aber haben wir Verständnis dafür, dass die Gärten auch mal weniger kontrolliert und dafür kreativer wachsen. Der heutige Berufsalltag bietet oft kaum Zeit fürs Detailgärtnern, da darf es dann schon mal die grobe Kelle sein.

Gibt es Trends hinsichtlich der Bewirtschaftung unter den Neupächtern?

Thomas Kleinworth: Ja, öko liegt auch hier im Trend, zum Beispiel werden viele Nutzpflanzen angebaut. Man pflanzt sie ein, zieht sie groß, erntet und isst sie – dieser Kreislauf ist ein ursprüngliches Erlebnis, fernab jeder Massenproduktion. Im Vergleich zu früher werden heute jedoch keine drei Zentner Kartoffeln oder sieben Meter Möhren mehr angebaut, stattdessen ist es oft Naschobst – zum Beispiel verschiedene Beerenarten –, das Sie in vielen Gärten finden werden. Zudem sind die Gartenflächen heute naturbelassener. Wir sehen dadurch wieder vermehrt heimische Stauden und Wildblumen. Die blütenbesuchenden Insekten freuen sich natürlich besonders über die neue Artenvielfalt. So ist die Kleingartenkolonie nicht nur ein Naturerlebnis, sondern am Ende auch grüne Lunge und Feinstaubfilter für das städtische Umfeld.