Tjorven Reisener, 35 Jahre, aus Flensburg

Ursprünglich hatte Tjorven Reisener den Plan, ein Frauenhaus in Afrika zu eröffnen. Heute gedeihen ihre Ideen in einem Gartenprojekt in Flensburg.

Ein Frauenhaus in Afrika und das Flensburger Gartenprojekt villekula – auch wenn es auf den ersten Blick nicht so aussieht: Beides hat eine enge Verbindung. Zum einen weil Tjorven Reisener während eines Praktikums in Afrika auf die Idee der villekula kam. Zum anderen haben beide Projekte eine entscheidende Gemeinsamkeit: Es sind Orte der Möglichkeiten. 

Doch von Anfang an: Mit 23 geht Tjorven im Rahmen ihres Studiums der Erziehungswissenschaften in ein südafrikanisches Township, wo sie zusammen mit weiteren Volunteers in einem Kindergarten arbeitet. „Ich war damals überrascht, wie ungesund dort gegessen wurde. Wir bekamen säckeweise Nahrungsergänzungsmittel. Und das alles in einem Land, das so gute Bedingungen für Lebensmittelanbau hat.“ Da der Kindergarten für die Anerkennung als Waldorfeinrichtung einen Garten braucht, findet Tjorvens Idee des Selbstanbaus schnell Gehör. Aus alten Autoreifen werden kurzerhand kleine Beete. „Als die Kinder dann den ersten selbst gezogenen Pfefferminztee probiert haben, dachten sie, ich wollte sie vergiften.“ Diese Sorge weicht schnell der Begeisterung, selbst etwas wachsen zu lassen. Den kleinen Garten in Südafrika gibt es bis heute … und als grüne Folge einen großen Garten in Flensburg. 

Zurück im Norden beackert Tjorven zunächst einen eigenen Schrebergarten, in dem sie mit Kommilitoninnen unter anderem ein Ferienpassangebot umsetzt. Die villekula-Idee verfolgt sie weiterhin hartnäckig: Sie schreibt Förderanträge, arbeitet Vollzeit ehrenamtlich an dem Projekt und verdient ihr Geld mit Nebenjobs. 2016 zieht die villekula vom Schrebergarten auf ein 5.000 Quadratmeter großes Stück Land am Rand von Flensburg. 

„Ich möchte Menschen einen Raum geben,
in dem sie sich selbst entdecken und entfalten können.“

Hier entwickelt Tjorven mit ihrem Team die Angebote weiter: Kinderferien und -geburtstage, die „Gartenkinder“ für Kinder ab vier Jahren, Firmenevents. Um länger arbeiten zu können, zeltet sie oft auf dem Gelände. „Vor einem Burnout hat mich immer bewahrt, dass ich meine Hände in den Boden stecken konnte.“ 

Besonders am Herzen liegt ihr der „Strebergarten“: Ein Schuljahr lang kommen die Kinder einer Klasse an 17 Terminen à 90 Minuten in die villekula. Das Motto bei jedem Besuch: Vom Samenkorn bis zur fertigen Mahlzeit. „Nach diesem Schuljahr kennen alle die Jahreszeiten, jede Menge Kräuter und Gemüsesorten und mindestens 17 gesunde Gerichte.“ Den zunächst etwas holprigen Start finanziert sie über ein Crowdfunding. Seit rund eineinhalb Jahren wird das Schulklassenprojekt als Präventionsprojekt von den Krankenkassen gefördert. 

Im September 2020 ist die villekula-Gründerin Mutter geworden. „Mit Beginn des Mutterschutzes habe ich mich aus dem villekula-Alltag rausgezogen. Das ging natürlich nur, weil wir inzwischen ein gut zusammengewachsenes Team sind und auch zwei Stellen finanzieren können.“ Seit September 2021 ist Tjorven wieder zurück. Das operative Geschäft übernimmt größtenteils das Team. „Ich kümmere mich um die Personalführung und will meine Vision weiterentwickeln.“ Eines ihrer nächsten Ziele: „Wir wollen der beste Arbeitgeber Flensburgs werden. Den schönsten Arbeitsplatz haben wir ja schon!“ In der Stadt hat sich das Projekt längst einen Namen gemacht. Nun kämpft Tjorven weiter für eine langfristige Förderung, um die villekula finanziell unabhängiger zu machen.