Hermann Otten, 70 Jahre, aus Flensburg

Hermann Otten liebt Nepal, Wandern und seine Kollegen. Er leitet die Fortbildung der Berufskraftfahrer bei Aktiv Bus Flensburg.

Die etwa 100 Flensburger Busfahrer, die im rollierenden System 6-2 ihren Dienst tun, müssen turnusmäßig ihren Eintrag 95 erneuern lassen. Wir verstehen nur Busbahnhof. Hermann Otten lacht und übersetzt: Die Busfahrer arbeiten sechs Tage und haben dann zwei Tage frei. Nach dem Berufskraftfahrerqualifikationsgesetz muss jeder alle fünf Jahre die Fahrerlaubnis erneuern. Hermann Otten sorgt dafür, dass das auch klappt. Wer das für reine Routine hält, der irrt. Unter seiner Regie werden die Seminare zu ganzheitlichen Fortbildungen. Mit unverkennbar fränkischem Akzent – er stammt aus Nürnberg – erklärt Hermann Otten, dass die Gesundheit des Fahrers ein wichtiges Thema ist. „Dazu gehören vor allem Ernährung und Umgang mit Belastungen. Wer von Mürwik auf das andere Fördeufer fährt, sagt bei Ankunft: ‚Geschafft!‘ Der Busfahrer fährt wieder zurück. Und wieder hin. Und so weiter. Das baut natürlich Stress auf.“

Mit Verkehr hatte der gelernte Starkstromelektriker schon immer zu tun. Und mit dem Norden auch. Vor 50 Jahren ging er zur Marine. Er wollte zur See fahren und Meer gibt es in Franken nicht. Auch die Ehe mit einer Dänin lässt Flensburg wie seinen natürlichen Heimathafen erscheinen. Später wurde er Fahrlehrer und heuerte schließlich bei Aktiv Bus an. 1983 war das und es war der Beginn einer Karriere, die ihn über Fahrer, Fahrdienstleiter und Fahrplanverantwortlicher auf seine gegenwärtige Position geführt hat. Freundlichkeit steht Hermann Otten – seine Kollegen nennen ihn Otti – ins Gesicht geschrieben.

„Vielleicht schaut man gelassener
auf die alltäglichen Probleme,
wenn man vom Dach der Welt herabgeblickt hat.“

Man kann ihn sich gut vorstellen, wie er mit den Busfahrern Übungen macht, bei denen sie Altersanzüge tragen, die die Bewegungen beschwerlich machen. Oder Gelenkversteifungen und runde Sohlen, mit denen sich kaum das Gleichgewicht halten lässt. So soll Verständnis aufgebaut werden für Fahrgäste, die beim Ein- und Ausstieg langsam sind. Wichtig sei auf jeden Fall die gegenseitige Wertschätzung. Die würden sich im Übrigen auch die Fahrer für ihren anstrengenden Job wünschen.

Vielleicht schaut man ja auch gelassener auf die alltäglichen Probleme, wenn man vom Dach der Welt herabgeblickt hat. Viermal hat Hermann Otten den nepalesischen Himalaya bereist und dabei auch den 5.400 Meter hohen Pass Thorong La überquert. Und er hat sich auf den Fußweg von Oberstorf nach Meran gemacht. Kenner wissen, dass dazwischen die Alpen den einen oder anderen Höhenmeter beisteuern. In gewisser Weise sei Flensburg ja Alpenvorland, fügt er schmunzelnd hinzu: Im Winter sei die steile Bismarckstraße für Busfahrer keine beliebte Tour. Beherrschen müssten sie sie aber, auch das sei ein Fortbildungsthema. Damit sich die Inhalte nicht so stark wiederholen – die Bismarckstraße wird ja nicht alle fünf Jahre steiler –, sucht Hermann Otten immer nach neuen Methoden. Etwa kognitives Training durch das Jonglieren mit Bällen, das er sich vom Profifußball abgeguckt hat: „Das machen die bei Borussia Dortmund auch.“ Oder Gymnastikübungen mit einem Gummiband für die Pausen an den Endhaltestellen. „Eine der wichtigsten Übungen kommt immer zuletzt“, sagt Hermann Otten und lacht verschmitzt: „Dann können sich alle ihre Sorgen von der Seele reden.“