Michaela Pries, 55 Jahre, aus Schilksee

Michaela Pries arbeitet seit Langem in sozialen Berufen und
ist politisch engagiert. Nun ist sie die neue Landesbeauftragte
für Menschen mit Behinderung in Schleswig-Holstein.

Michaela Pries winkt uns bereits von Weitem durch die großen Fenster der Kieler Atelier-Galerie Artegrale zu. Wir treten ein und werden von ihr und von vielen Bildern und Skulpturen begrüßt. „Hier wird Kunst aber nicht nur präsentiert, sondern auch gemacht!“, erzählt Pries begeistert. Sie passt sehr gut in diesen einladenden Ort, an dem sich Menschen mit und ohne Behinderung begegnen, um sich künstlerisch auszutauschen. Solche Orte bauen Vorurteile ab, weiß sie. Sie möchte noch viel mehr von ihnen schaffen.

Auch sie selbst verspürt große Freude an künstlerischem Ausdruck. Beinahe wäre sie an der Kunsthochschule gelandet, bevor sie mit dem Kieler Fördewind im Rücken in die sozialen Berufsfelder gesteuert ist. „Mein Großvater hatte einen Fischkutter“, erzählt sie, „mit dem Abitur in der Tasche bekam ich die Möglichkeit, ganz neue Wege zu gehen.“ Unter anderem ist sie ausgebildet als Erzieherin und Fachwirtin im Gesundheits- und Sozialwesen. Zuletzt war sie in vielfältigem Einsatz für die Stiftung Drachensee, die in den Bereichen Arbeit, Wohnen und Freizeit ein breites Angebot für Menschen mit Behinderungen organisiert.

Lange ist sie bereits politisch aktiv. Vielleicht, weil sie schon in jungen Jahren im wahrsten Sinne des Wortes Partei ergreifen musste. Als ihre Mutter sichtbar krank wurde, hat sie die alltägliche Ausgrenzung ihr gegenüber erlebt. Sie arbeitete immer gegen diese Ablehnung an und suchte stets das direkte Gespräch. Heute sagt sie offen, dass ihr manchmal das Verständnis für die gänzlich fehlende Solidarität einiger Menschen ohne Behinderung fehlt.

„Menschen danach beurteilen, was sie
können, nicht danach, was sie nicht können!“

Michaela Pries hat eine simple Formel für das Miteinander: „Menschen danach beurteilen, was sie können, nicht danach, was sie nicht können!“ Klingt nach dem einfachen Prinzip einer funktionierenden Band, in der jeder das Instrument seiner Wahl spielt. So entsteht aus individuellen Klängen ein gemeinschaftlicher Rhythmus. Die Menschen mit Behinderungen bilden eine sehr große Gemeinschaft – die noch zu oft nicht gehört wird. In Schleswig-­Holstein sind es über 570.000. Als Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderungen leiht Pries ihnen in vorderster Reihe nun ihre Stimme.

Sie freut sich sehr darauf. In ersten Gesprächen mit der Landesregierung konnte sie große Bereitschaft ausmachen, verbesserte Wege für das Miteinander von Menschen mit und ohne Behinderungen zu finden. Ihre Wunschvorstellung ist, dass keine Sonderregelungen mehr geschaffen werden, weil man es dank universeller Lösungen nicht mehr muss. Doch Michaela Pries ist nicht blauäugig. Viel wäre bereits gewonnen, wenn die UN-Behindertenrechtskonvention eingehalten würde, welche die universellen Menschenrechte für Menschen mit Behinderungen konkretisiert und klarstellt, dass diese ein uneingeschränktes und selbstverständliches Recht auf Teilhabe besitzen.

Verantwortung für so viele Menschen zu tragen, ist fraglos auch eine Herausforderung. Die neue Landesbeauftragte weiß dabei stets ihre Familie an ihrer Seite. Ihr Mann Manfred – früher Nachrichtenredakteur beim NDR – ist seit 30 Jahren schon ihr starker Lebens- und Diskussionspartner. Neben den erwachsenen Kindern darf auch Hund Jagger in der Aufzählung nicht fehlen. Das vierbeinige Familienmitglied ist benannt nach dem Sänger der Rolling Stones. Es steckt viel Rock ’n’ Roll in den Pries. Schön, dass Michaela Pries nun im Landtag gehört wird – und viele Steine ins Rollen bringen kann.