Unterwegs mit dem Busbegleitservice in Ahrensburg

An einem regnerischen Dienstag im Oktober machen wir uns für die los! auf nach Ahrensburg. Zuvor hatte tage-, ja wochenlang die Sonne geschienen, hatten die Temperaturen sich geweigert, nach unten zu klettern. Und nun das. Aber obwohl das Ahrensburger Wetter widerspenstig ist, sind wir auf dem Weg zu einer der Schokoladenseiten der Stadt: dem Busbegleitservice.

Busbegleiter fahren in Linienbussen mit und leisten den Fahrgästen Hilfestellung: beim Ein- und Aussteigen, bei der Sicherung von Hilfsmitteln wie Handwagen, Gehhilfen oder Rollstühlen. Wie genau das aussieht, davon wollen wir uns in Ahrensburg selbst ein Bild machen. Wir haben darum gebeten, einen Vormittag lang in einem der betreffenden Busse mitzufahren – quasi als Busbegleiterbegleiter.

Die Drei von der Haltestelle:
Busbegleiter Maruf Hakimi (links) und Reza Osso (rechts) mit ZiB-Koordinator Danny Franke

Ehrenamtlicher Einsatz

Unsere erste Anlaufstelle ist das ZiB, das Zentrum für interkulturelle Bildung und Arbeit. Hier sind wir mit Danny Franke verabredet. Er koordiniert ehrenamtlich den Einsatz der Busbegleiter. Nach einer freundlichen Begrüßung stellt er uns auch gleich den ersten Helfer vor. Reza Osso kam vor etwa viereinhalb Jahren nach Deutschland. Seit neun Monaten arbeitet der 40-jährige Syrer als Busbegleiter. Ob es eine Vorbedingung für die Beschäftigung gibt, fragen wir Franke. Die Antwort: Es reiche aus, wenn die Anwärter freundlich und gepflegt auftreten würden. Und natürlich wären ein paar Brocken Deutsch nützlich, aber die seien ja oft vorhanden und einiges schnappe man auch während der Arbeit im Bus auf. Ein Blick in Ossos freundliches Gesicht lässt uns ahnen, dass er hier absolut richtig ist.

Eines müsse aber jeder Begleiter
unbedingt  
wissen: dass man mit  dem Rollator
immer 
rückwärts aussteigt.

Linie 569

Wir werden Reza Osso auf der Linie 569 begleiten. Die Busse fahren zwischen den Vierteln Gartenholz und Heimgarten. Immer zwei Fahrzeuge sind gleichzeitig im gegenläufigen Rhythmus im Einsatz. An der Strecke in Gartenholz liegen zwei Seniorenheime. Hier, so werden wir informiert, steigen besonders viele Fahrgäste zu, die Hilfe gut gebrauchen können. Richtung Heimgarten werde es dann ruhiger. Jetzt stößt noch Maruf Hakimi dazu. Er ist 20, kommt aus Afghanistan und ist erst seit Kurzem Mitglied des Helferteams. Es soll eine Zwischenstation bleiben, denn er hofft auf einen Ausbildungsplatz als Verkäufer. Zusammen mit Danny Franke und den beiden Busbegleitern machen wir uns auf den Weg zur Haltestelle am Rathaus. Um kurz nach zehn steigen wir mit Osso in die 569. Der Busfahrer, Najib Logmani, ist schon über unseren Besuch informiert und hat nichts dagegen, dass wir heute seine Fahrt begleiten. Zeit für ein kurzes Gespräch wird er erst später haben, denn während der Fahrt… ja, das wissen wir natürlich! In unserer Vorstellung beginnt jetzt die Schwerstarbeit für den Busbegleiter. Aber es startet gemütlich. An dem trüben Tag scheinen weniger Menschen unterwegs zu sein als sonst. Auch unser erster Halt an der Haltestelle Rosenhof in der Nähe der gleichnamigen Seniorenwohnanlagen spült kaum hilfsbedürftige Fahrgäste in den Bus. Was wir aber merken: Es ist gut, dass auf der außerordentlich kurvigen Strecke auch im Bus selbst stets Hilfe zur Hand ist, nicht dass die Rollatoren noch durcheinanderpurzeln.

Langsam zieht das „Geschäft“ an. Hier ein Rollstuhl, da ein Rollator.

Viele Vorteile

An der Endhaltestelle Am Heimgarten steht eine kurze Pause auf dem Programm, Zeit für ein paar Fragen an unseren Busfahrer. In Freundlichkeit steht Logmani unseren Busbegleitern in nichts nach. Ja, die Fahrgäste würden sich seiner Einschätzung nach sehr über den Service freuen. 90 Prozent der Zielgruppe würden das Hilfsangebot annehmen. Und ein weiterer Aspekt: Die Busse gewännen an Pünktlichkeit. Wenn nämlich der Busfahrer selbst aussteigen und die Rampe für einen Rollstuhl herunterklappen müsse, koste das natürlich Zeit. Wir fahren weiter und ein paar Haltestellen später steht Georg Buschmann mit seinem Rollator an der Haltestelle. Reza Osso springt aus dem Bus und geht dem älteren Herrn zur Hand. Im Nu hat Buschmann seinen Sitzplatz eingenommen. Er hat für die Busbegleiter insgesamt nur lobende Worte übrig. Eines müsse aber jeder Begleiter unbedingt wissen: dass man mit dem Rollator immer rückwärts aussteigt. Auf Nachfrage, ob da schon mal etwas schiefgegangen sei, muss er lachen: Nein, schlechte Erfahrungen habe er noch nicht gemacht.

Ein Mosaikstein im Helferprofil

Langsam zieht das „Geschäft“ an. Hier ein Rollstuhl, da ein Rollator. Kurze Fragen über den Service werden positiv beantwortet, Namen und Foto wollen viele Passagiere aber lieber nicht in einem Magazin gedruckt sehen. Am Pellwormstieg wird es auf einmal richtig eng. Gleich zwei Damen mit Rollator steigen zu. Hier packt dann doch auch der Busfahrer mit an. So schnell und selbstverständlich ist er zur Tür geeilt, dass ein Fahrgast noch kurz scherzhaft protestieren muss, um vor den Neuankömmlingen aus dem Bus gelassen zu werden. Im Bus bittet eine der beiden Damen unseren Busbegleiter, für sie vorn beim Fahrer zu bezahlen – ein weiterer Mosaikstein im Helferprofil.

So schnell und selbstverständlich ist
er zur Tür
geeilt, dass ein Fahrgast noch kurz
scherzhaft protestieren muss, um vor den
Neuankömmlingen
aus dem Bus gelassen zu werden.

Kurz nachdem Reza Osso ihm beim Einstieg geholfen hat, fragen wir den Fahrgast Jörg Joachim Bernhardt, ob wir ihn fotografieren dürfen. Selbstverständlich sei er bereit, schließlich habe er selbst als Fotograf gearbeitet. In einem kurzen Gespräch erfahren wir, dass er 1989 bei der Maueröffnung an der Bernauer Straße das erste herausgebrochene Stück exklusiv abgelichtet und die Bilder später dem Mauermuseum gespendet hat. Diese Geschichte hätten wir ohne die Busbegleitung gar nicht erfahren. Durch den Service, so Bernhardt, sei er in der Lage, seine Einkäufe selbst zu machen. Und freundlich seien die Helfer obendrein.

Mittlerweile scheinen die Ahrensburger die Scheu vor dem Schmuddelwetter abgelegt zu haben. Als wir durch den Innenstadtbereich kurven, hat Osso alle Hände voll zu tun. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht von Beobachtern zu Hindernissen werden, so gedrängt stehen die Fahrgäste jetzt. Eine Mutter erklärt ihrem kleinen Sohn, was es mit dem hilfsbereiten Mann auf sich hat, der zwar während der Fahrt lässig an der Haltestange lehnt, aber Sekunden nach dem Halt aufmerksam zur Stelle ist.

Wir verlassen den Bus, gut durchgeschüttelt
und voller Eindrücke. Die 90 Prozent Zufriedenheit, die uns
unser Busfahrer genannt hat, kamen uns wie 100 vor.

Es ist Mittag und der Bus beginnt sich zu leeren. Jetzt hat Reza Osso auch Zeit für einen Plausch. Gerade hat er Mohamad Adelmustafa beim Einsteigen geholfen. Der Syrer sitzt auf einem Klappsitz, die Hände auf die Gehhilfe gestützt. Lachend unterhalten sich die beiden Männer. Man merkt Osso an, dass es schön für ihn ist, sich mal angeregt in der eigenen Muttersprache zu unterhalten. Eine Runde liegt noch vor ihm, aber viel Andrang sei jetzt nicht mehr zu erwarten. Wir verlassen den Bus, gut durchgeschüttelt und voller Eindrücke. Die 90 Prozent Zufriedenheit, die uns unser Busfahrer genannt hat, kamen uns wie 100 vor. Als wir uns von Reza Osso verabschieden und am Rathaus aussteigen, kommt uns ein 569er-Bus entgegen. Wir hören ein Klopfen und sehen hinter einer Scheibe den winkenden Maruf Hakimi. Wir sind uns sicher: Auch mit ihm wäre es ein spannender Vormittag geworden.

Jetzt hat Reza Osso auch Zeit für einen Plausch

Integration ist Ehrensache:
Auf ein Wort mit Danny Franke

Danny Franke ist beim Zentrum für interkulturelle Bildung und Arbeit (ZiB) als Projektmanager angestellt. Seit 2009 koordiniert er zusätzlich den Busbegleitservice in Ahrensburg – ehrenamtlich.

Wer trägt den Busbegleitservice?

Das Angebot gibt es seit 2001 und es war sofort ein Erfolg. Mittlerweile übernimmt die Stadt Ahrensburg regelmäßig die Kosten für zwei Busbegleiter. Weitere Busbegleiter können wir über den Bundesfreiwilligendienst beschäftigen, hier gibt es ein sogenanntes Taschengeld für die Begleiter. In der Regel können wir zweimal im Jahr beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben Stellen beantragen. Eine dritte Möglichkeit sind Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen. In diesem Rahmen kommen auch einige Busbegleiter zu uns, maximal für ein halbes Jahr. Aktuell haben wir neun
Begleiter, gestreut über alle Finanzierungsquellen.

Wer kann sich bewerben?

Bei uns bewerben sich gegenwärtig neben Flüchtlingen auch Schulabgänger und Seniorinnen und Senioren. Aber wir sind offen für alle sozial engagierten Bürgerinnen und Bürger. Hauptsache: Sie wollen et-was Sinnvolles tun und gern anderen Menschen helfen.

Neben der Hilfe für Fahrgäste – was sind die Ziele?

Integration ist unser Hauptziel. Wir versuchen mit dem Busbegleitservice zum Beispiel auch, sozial benachteiligte Personen aus dem ALG-II-Bezug – sprich Hartz IV – herauszubekommen und in reguläre Arbeit zu bringen. Inzwischen macht schon der dritte ehemalige Busbegleiter seine Ausbildung zum Busfahrer. Zur Finanzierung gibt es dafür mehrere Fördermöglichkeiten.

Gibt es Pläne, den Service auszuweiten?

Wir haben im Hinterkopf auch noch die Idee einer persönlichen Busbegleitung, um Leuten schon an der Haustür und auf dem Weg zum Bus zu helfen, aber es gibt derzeit noch verwaltungstechnische Hindernisse. Und eine Ausweitung des Serviceangebots auf das ländliche Umland ist auch noch Zukunftsmusik. Da ist der Aufwand bei der Koordination deutlich höher, das geht nicht mehr ehrenamtlich. Aber wir bleiben natürlich dran.

Danny Franke erklärt die Grundidee des Busbegleitservice